NACHRUF

Zum Tod von Univ. Prof. DDr. Walter Raberger

„Prof. Raberger im Unterricht, gezeichnet von Kurt Druckenthaner 1984.“

Der Tod von Univ. Prof. DDr. Walter Raberger berührt viele Angehörige des BG/BRG Bad Ischl, ehemalige wie gegenwärtige. Walter Raberger wirkte an unserer Schule in den Jahren 1975 bis 1984 in den Fächern Religion und Latein sowie als Klassenvorstand. Als studierter Germanist förderte er auch das Schauspiel. Von 1984 an lehrte Walter Raberger als Professor für Dogmatik und Ökumene an der Katholisch-theologischen Hochschule Linz (heute Katholische Privatuniversität Linz). In diesen Tagen erzählen sich viele SchülerInnen, KollegInnen und StudentInnen von Walter Raberger Erinnerungen wie die drei folgenden von Lehrern des Gymnasiums. 

Ein ehemaliger Schüler erinnert sich 

Professor DDr. Walter Raberger ist nicht mehr. Er war einer der Lieblingslehrer  unserer Klasse (Maturajahrgang 1984), verstand es nicht nur, sein Fach auf höchstem wissenschaftlichen Niveau zu unterrichten (alles, was ich noch heute vom Jahwisten, Elohisten, von der Redequelle „Q“ und von den Paulinischen Reisen  weiß, verdanke ich ihm), sondern gestaltete seinen Lehrervortrag auf eine äußerst unterhaltsame Art und Weise: Seine Stunden glichen Kabarettprogrammen mit religiösem Inhalt – wobei Professor Raberger, von den Schülern liebevoll „Rabsi“ genannt, fast jede seiner Aussagen durch ein passendes  Bibelzitat untermauerte (natürlich mit exakter Angabe von Kapitel und Vers!). 

 Diskussionen über den Notenstand – möglich waren in Religion damals ohnehin nur Zensuren zwischen 1 und 3 – gab es nicht („Quod scripsi, scripsi“), aber häufig regte sein inspirierender Lehrervortrag zu Privatdiskussionen zwischen Banknachbarn an. Dazu sein Standardkommentar: „ I kå(n) aa nix dafia, dass gråd 4. (5. / 6.) Stund is!“ Noch in der Unterstufe überraschte uns „Rabsi“ mit einer neuen Haartracht: einem sehr akkurat ausgeführten Bürsten-Schnitt, der ihm bei den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums seinen zweiten Spitznamen „Borstl“ (oder gar „Raborstl“) einbrachte. 

Seine und unsere Zeit am Gymnasium endete im „Orwell-Jahr“ 1984. Uns gegenüber äußerte sich „Rabsi/ Raborstl“ sehr erfreut über seine neue Lehrtätigkeit an der Universität Linz; irgendwie wirkte es auf uns auch so, als wäre er froh, die geistige Enge des inneren Salzkammergutes verlassen zu können… In den letzten beiden Religionsstunden, die wir mit ihm verbringen durften, wurde dann nur noch gefeiert: Die Mädchen unserer Klasse überreichten Rabsi eine meterlange selbst gehäkelte Woll-Schlange in allen Farben des Regenbogens. Dazu aßen wir uns durch ein sehr reichhaltiges Kuchen-Buffet – die Teigkunstwerke waren von Schülerinnen und Eltern der damaligen 8.A-Klasse mit großer Liebe gebacken worden. Ich erinnere mich heute noch an die entsprechenden, von Rabsi mit Stentorstimme vorgetragenen Einträge ins Klassenbuch: „Speisung der 5 000 (Lukas 9, 12-17)“ Und: „NACHASCH [hebr. ‘Die Schlange‘] – Mythos und Wirklichkeit“  

Um von unserem „Rabsi“ gebührend Abschied nehmen zu können, besuchten wir Maturanten sogar noch den Abschluss-Gottesdienst des Schuljahres in der katholischen Pfarrkirche Bad Ischl. Und wir mussten und durften dabei einen für uns ganz neuen „Rabsi“ erleben: nicht ironisch-intellektuell über den Dingen stehend, wie wir ihn acht Jahre lang gekannt hatten, sondern als einen von Rührung und ehrlicher Abschieds-Wehmut übermannten Menschen, der die Erinnerung an alle Lehrerkollegen und Schüler tief in seinem Herzen tragen wollte… 

Die große Zuneigung, welche die Schüler und Kollegen des Bundesgymnasiums Bad Ischl ihm gegenüber empfanden, dürfte also doch auf Gegenseitigkeit beruht haben… (dru) 

Ein ehemaliger Student erinnert sich 

Nach seinem Wirken als Lehrer für Religion und Latein am Gymnasium Bad Ischl wurde Walter Raberger 1983 als Professor für Dogmatik an die Katholisch-Theologische Hochschule in Linz berufen. Seine Vorlesungen waren stets geprägt von satirischen Zwischenbemerkungen, die den Hörsaal erheiterten. So kam man sich manchmal wie in einer Kabarettvorstellung vor. Gerade dadurch konnte er komplexe theologisch-philosophische Inhalte für alle verständlich machen. 

Auch abseits der Lehre hatte er für die Studierenden stets ein offenes Ohr und suchte das Gespräch. Speziell Studierende aus dem Salzkammergut (wie ich aus Ebensee) wurden so zur Zielscheibe seiner „Schmähs“ und es ergaben sich lustige Gespräche mit ihm. 

Nach seiner Emeritierung zog er sich wieder zurück nach Bad Ischl. Der Kontakt zum Gymnasium blieb erhalten, weil er immer ins Krankenhaus mittagessen ging. Und da einige LehrerInnen ebenfalls dort anzutreffen waren, kam es noch oft zu Gesprächen über das Schulleben. So konnte er dem Gymnasium verbunden bleiben. (eng) 

Ein ehemaliger Student und Angehöriger der Pfarre Bad Ischl 

Dieser Tod berührt mich, weil ich in meinem Fach Religion als einer der Nachfolger von Walter Raberger arbeite. 

Über Jahrzehnte hin waren die Gottesdienste mit Walter Raberger in der Ischler Stadtpfarrkirche bei einer festen Feiergemeinschaft gefragte Termine. Die Predigten, eine Zeit lang in Form von Fortsetzungen, waren außerordentlich: In Sprache und Inhalt anspruchsvoll, länger als üblich und inspirierend. Für jeden Sonntag im Jahreskreis formulierte Walter Raberger die Gebete selbst, um den Bezug auf die Festgeheimnisse und Schriftstellen noch deutlicher zuzuspitzen. Bei den Samstagabendgottesdiensten waren Walter Raberger als Zelebrant und sein ehemaliger Kollege am Gymnasium Hans Permanschlager als Organist ein treues Gespann. Bis in die letzten Jahre erwiesen sich einzelne Schülerinnen unserer Schule als verlässliche Ministrantinnen. 

Seit 2013 besteht in Bad Ischl ein theologischer Lesekreis. Bei mehr als dreißig Zusammenkünften bereicherte Walter Raberger unseren Austausch mit seinem umfassenden dogmengeschichtlichen und philosophischen Wissen. Unter anderem boten die Begegnungen mit Walter Raberger uns so wie Generationen von Studierenden auch die Gelegenheit, in die Perspektiven der Denker der Frankfurter Schule im Allgemeinen und von Jürgen Habermas im Besonderen eingeführt zu werden. (stem)